Sie fangen vieles, was zwischen Deutsch und Mathe passiert, auf.
Oer-Erkenschwick. Vor nicht allzu langer Zeit ist für viele Jungen und Mädchen in Oer-Erkenschwick eine aufregende Zeit gestartet: Die Schule hat begonnen. Die Kinder, die gestern noch in der Kita gespielt haben, müssen heute auf ihren Stühlen sitzen und eine Menge an Konzentration mitbringen. Erstklässler haben oftmals „nur“ vier Stunden Unterricht am Tag. Stunden, die für die Kinder enorme Arbeit bedeuten, weiß Nancy Cremer. Die 44-Jährige ist seit 2019 Klassenassistentin an der Clemens-Höppe-Schule in Rapen. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Stefanie Sowa unterstützt sie Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht und hilft Schülern und Eltern dabei im Schulalltag anzukommen. Sie bewirken Dinge, die man auf den ersten Blick nicht sieht.
Was bedeutet das konkret? Allgemein gesagt, fangen die beiden Frauen, die bei der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung junikum angestellt sind, vieles auf, das neben Deutsch, Mathematik oder dem Sachunterricht passiert. Das Besondere: Sie sind keinem Kind zugeteilt, sie haben alle Erstklässler im Blick.
„Es fängt damit an, dass die Kinder nicht wissen, wie man ein Blatt abheftet“, erklärt Stefanie Sowa, die aktuell in der 1b arbeitet. „Es gibt Kinder, die sich einnässen, Kinder, die sich streiten und keine Idee haben, wie sie den Konflikt lösen können.“ Ein großes Thema im Alltag sei die Sprachbarriere. Mithilfe von Übersetzungsapps versuchen die Klassenassistentinnen der Schülerin oder dem Schüler die einzelnen Wörter nahezubringen. „Es geht auch um die soziale Bindung zwischen den Kindern. Wie können sie trotz Sprachbarriere gut miteinander lernen?“, sagt Nancy Cremer, die im Schuljahr 2025/2026 die Schildkröten-Klasse unterstützt. Alles in allem gebe es im Fünf-Minuten-Takt sogenannte Nebenbaustellen, auf die die Klassenassistenz eingehen muss, ohne die gesamte Klasse zu „stören“, ergänzt sie. Schließlich sollen die Kinder am Ende des Tages mit viel Wissen im Gepäck den Schulhof verlassen.
Von der Wohngruppe ins Klassenzimmer
Es sind Herausforderungen, mit denen die Frauen umzugehen wissen. Sie arbeiten seit über 20 Jahren mit den Kleinsten zusammen. Stefanie Sowa hat innerhalb des junikums in Oer-Erkenschwick eine Wohngruppe, genauer gesagt eine Kleinkinder-Intensivgruppe, geleitet. Nancy Cremer war ihre Stellvertreterin. Nach der Geburt der eigenen Kinder – Stefanie Sowa hat drei, Nancy Cremer ein Kind – und mit dem Ende der Elternzeit wollten sie Vollzeitjob, Schichtdienst sowie Wochenend- und Feiertagsdienste hinter sich lassen. „Die Klassenassistenz war eine gute Chance, zurück ins Berufsleben zu finden und das Ganze familienfreundlich zu gestalten“, erklärt die 44-Jährige.
Und, haben sie ihren ersten Schultag jemals bereut? Nein.„Zu Beginn habe ich zwar nur wahrgenommen, wie laut es ist und dass ich das Konzept Schule erst einmal kennenlernen muss“, erzählt Nancy Cremer und lacht. Doch jetzt übt die Dorstenerin ihren Job mehr als gerne aus. „Es ist eine sehr dankbare Aufgabe. Auch wenn ich manchmal nach Hause fahre und denke ‚Morgen kann nur besser werden‘“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
„Das geht unter die Haut“
Ihre 45-jährige Kollegin erinnert sich an die Anfänge wie folgt: „Zu Beginn saßen wir alle an einem Tisch und keiner wusste so genau, wo die Reise hingeht.“ Mittlerweile sind die Klassenassistentinnen in der Clemens-Höppe-Schule nicht mehr wegzudenken. Sie werden in Prozesse frühzeitig eingebunden und als vollwertige Teammitglieder gesehen. Sie fühlen sich wertgeschätzt, das merkt man Nancy Cremer und Stefanie Sowa im Gespräch deutlich an. Die Frauen sind angekommen. „Ich kümmere mich um die Allerkleinsten und das ist für mich persönlich die schönste Aufgabe“, beschreibt es Stefanie Sowa.
Nach Klasse eins verlassen die mittlerweile nicht mehr Allerkleinsten ihre Obhut – Was ist das für ein Gefühl? „Wir müssen darauf achten, dass es auch ohne uns funktioniert“, betont die Mama von drei Kinder. „Sonst haben wir etwas falsch gemacht.“ Viele Familien seien beim Abschied trotzdem traurig. Das Wichtigste: Auf den Fluren begegnen sich Schüler und Klassenassistenz wieder. „Das Schöne ist, dass ich am Ende des Schuljahres die Fortschritte sehe. Bis dahin haben es die Kinder geschafft … Wow, das sind tolle Erfolgserlebnisse“, betont Nancy Cremer. Wenn sich Mutter und Vater darüber hinaus bei ihr bedanken, „geht das schon sehr unter die Haut.“
Was sich die beiden jetzt noch wünschen würden? Dass Klassenassistenten in allen Schulen vertreten sind. Weil sich im Laufe der Jahre vor allem eins gezeigt habe: Viele Kinder wuppen Klasse zwei deutlich besser, weil Stefanie Sowa und Nancy Cremer zum Start ins Abenteuer Schule an ihrer Seite waren.
Quelle: Beitrag von Julia Müller, Stimbergzeitung


